12. Mai 2023
Hier die lauten Ratschen, dort Schilder mit eindeutigen Aussagen: "Pflege wird laut!", "Vergesst die Pflege nicht!", "Für eine gute Arbeit und faire Bezahlung". So formierten sich zahlreiche Mitarbeitende des AGAPLESION SOPHIENSTIFTS am Freitag. Die Botschaft ging an die stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf, Oberbürgermeister Adolf Kessel, Landesdiakoniepfarrer Albrecht Bähr und den stellvertretenden Dekan Thomas Ludwig. Das Quartett war gekommen, um sich über die aktuelle Situation in der kirchlichen Altenpflege zu informieren. Dringenden Handlungsbedarf signalisierte Pflegedienstleiter Claus-Dieter Dörr. Er hielt ein Poster hoch, auf dem die Uhr 5 nach 12 zeigte.
Probleme berreffen nicht nur die Krankenhäuser
Im Tagungsraum warf Einrichtungsleiter Harald Oswald zunächst einen kurzen Blick auf die Geschichte des von der Familie von Heyl gegründeten Hauses. 1990 wurde es vom Hessischen Diakonieverein (HDV) übernommen und wird jetzt zum Großteil von der AGAPLESION gAG mitgetragen. Das SOPHIENSTIFT, das bis 2005 erweitert und modernisiert wurde, verfügt aktuell über 82 Betten, inklusive der Kurzzeitpflegebetten. Ferner gibt es den Bereich Junge Pflege, der von Oswalds Vorgängerin Hannelore Krier eingerichtet wurde. Hier leben Menschen unter 60, die aufgrund eines Handycaps auf Betreuung angewiesen sind. Gerade diese Berreuung erfordere besondere Kompetenzen. Damit war Oswald dann auch bei dem großen Problem, das nicht nur die Krankenhäuser, sondern eben auch die Alteneinrichtungen betrifft. Es fehle an Personal, und neue Mitarbeiter zu rekrutieren, sei momentan fast unmöglich. Daran sei auch die Generalistik, das heißt, die Zusammenführung der verschiedenen Pflegeberufe in einer Ausbildung, nicht ganz unschuldig.
70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind derzeit im AGAPLESION SOPHIENSTIFT im Pflegebereich beschäftigt. Der Krankenstand sei derzeit relativ hoch. Dennoch lasse das Klima im Haus nichts zu wünschen übrig. man lege großen Wert auf ein gutes Miteinander, sagte Oswald. "Doch der Markt ist leer gefegt. Es ist eine Katastrophe!"
Claus-Dieter Dörr, seit 45 Jahren in der Altenpflege tätig, schilderte die mitmenschlichen Aspekte des Berufs mit viel Herz. "Es ist ein wunderbarer Beruf. Wenn man das nach außen bringen könnte, wäre uns sehr geholfen." Doch müsse halt auch die Bezahlung stimmen. Er rechnete vor, dass im Nachbarland Baden-Württemberg der Verdienst der Pflegenden um einiges höher liege. Seiner Meinung nach müsse der Lohn von vornherein 1500 Euro mehr pro Monat betragen. Mit Blick auf gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten stimmte Harald Oswald zu. Doch woher nehmen und nicht stehlen? Leiharbeitskräfte kämen für das SOPHIENSTIFT nicht infrage, weil sie nicht dauerhaft blieben und mehr verdienten als die Fachkräfte, so Oswald. "Und FSJler?", wollte Pfarrer Bähr wissen: "Da bleiben oft welche hängen." Claus-Dieter Dörr sprach sich für ein soziales Pflichtjahr für alle aus. Altenpflegerin Cindy Hinkel berichtete von guten Erfahrungen mit Schülerpraktikanten und von weniger guten mit manchen Berufsanfängern. OB Kessel schließlich wies auf den Bildungsgang Gesundheit und Pflege der Karl-Hofmann-Schule mit Abschluss Abitur hin. Sicher lohne es sich, mit da Kontakt aufzunehmen.
Ein Roboter kann nicht die Lösung sein
Ulrike Scherf war der Diskussion mit großem Interesse gefolgt. Nun wollte sie wissen, was sich denn die Arbeimehmer und -nehmerinnen selbst wünschen. "Mehr Personal", war eine erste spontane Antwort. Dazu bräuchte es aber auch eines anderen Personalschlüssels. "Das Rentenalter für Pflegekräfte herabsetzen, denn keiner kann den Beruf bis 67 ausüben", lautete die nächste. Und natürlich: Mehr Geld. Gelobt wurde das Engagement der Ehrenamtlichen, Angehörigen, Ehemaligen wie Doris Henn sowie Mitglieder des Missionsfrauenvereins, der einst Träger des SOPHIENSTIFTS war.
„Könnte denn in manchen Bereichen ein Roboter nützlich sein", fragte Pfarrer Bähr in die Runde. Das sei eine Horrorvorstellung für sie, meinte Fachkraft Renate Fechner. Gerade in diesem Lebensabschnitt sei menschliche Zuwendung unerlässlich. "Roboter können nicht lächeln." "Warum nicht, wenn sie Bettpfannen ausleeren könnten?", witzelte Anna Bielicz-Böhmer.
Das Resümee Harald Oswalds fiel dann kurz und knapp aus: "Die Politik muss einfach mehr Geld in die Hand nehmen." Und Ulrike Scherf sagte: "Es war sehr beeindruckend zu hören, was Sie hier leisten." Dies sei fast ein Wunder: "Wir werden Sie mit unserer Stimme stärken."
Text: wormser-zeitung.de