100. Geburtstag im AGAPLESION THOMAS MORUS HAUS

22. September 2022

Eva Eleonore Kühlke feierte 100. Geburtstag im AGAPLESION THOMAS MORUS HAUS. Flucht aus der Heimat von vielen Hindernissen bekleidet.

Das neue Jahr 1922 begann mit einer Papstwahl. Nach dem Tod von Benedikt XV. wurde der Erzbischof von Mailand, Kardinal Ratti, zum neuen Kirchenoberjhaupt. Unter dem Namen Pius XI. trat er sein Amt an. Die Chronik verweist auf die Geburt prominenter Persönlichkeiten, wie Christopher Lee, Doris Day, Judy Garland und Gustl Bayrhammer. Auch Eva Eleonore Kühlke wurde am 17. September 1922 in Beldansee in Masuren geboren, an einem Sonntag, sie ist also ein Sonntagskind. Jetzt konnte sie im AGAPLESION THOMAS MORUS HAUS ihren 100. Geburtstag feiern, zu dem auch Tochter Bettina Dangréaux-Kühlke aus Paris anreiste.

Eva Eleonore Kühlkes Vater war Schulleiter und Lehrer, und sie angehende Lehrerin, deshalb wurde sie 1939 nach Kriegsausbruch in einer Schnellausbildung zur Volksschullehrerin augebildet, denn es war Lehrermangel, die männlichen Lehrer mussten in den Krieg. Sie war damals 17 Jahre alt und unterrichtete manchmal alle Jahrgänge in einer Klasse.

Da sie gut Akkordeon spielte und dazu sang, wurde sie dazu angehalten, für die Soldaten hinter der nahen Ostfront zu singen, wenn diese Ruhepause hatten. Die Jubilarin lebte nahe der Ostfront. Im Januar 1945 ging sie mit ihrer Mutter, Großmutter und Tante auf die Flucht in den Westen – mit vielen Koffern und Habseligkeiten. Es waren 20 Grad minus und hoher Schnee. Zuerst auf dem Pferdewagen des Bürgermeisters, dann mussten sie absteigen, da sie zu schwer waren und der Wagen nicht schnell genug vorwärtskam.

So ging man den Weg zu Fuß weiter und lies nach und nach alle Habseligkeiten hinter sich im Schnee zurück. Eva Eleonore Kühlke und ihre Tante machten dann Anhalter, während sich die Mutter und die Großmutter im Straßengraben versteckten. Ein Lastwagen mit Soldaten auf dem Rückmarsch hielt an, aber als die Großmutter und die Mutter aus dem Straßengraben krochen, wollten sie diese nicht auch noch mitnehmen – also fuhren Mutter und Tocher mit dem Lastwagen und ließen schweren Herzens die Großmutter und die Tante im Schnee zurück. Sie erreichten Pillau, von wo sie eine Nacht auf einem Stuhl sitzend draußen bei minus 20 Grad verbrachten und auf ein Schiff warteten, das sie über die Ostsee nach dem Westen bringen sollte, denn Ostpreussen war von den Russischen Trupen eingekreist. Dann wären sie beinahe auf das Schiff „Gustloff“ gestiegen. Eva Eleonore Kühlke hatte einen Platz bekommen, für die Mutter war kein Platz mehr, also stieg sie wieder aus, da sie diese nicht zurücklassen wollte – zum Glück – denn die „Gustloff“ wurde bombardiert und ging mit tausenden Flüchtlingen unter. Mutter und Tochter fanden stattdessen ein kleines Fischerboot, das nah am Ufer entlang fuhr, um von den Flugzeugen nicht gesehen zu werden. Das Ruder brach, eine Frau stürzte mit ihrem Baby im Arm und erdrückte es. Während der restlichen Fahrt schluchzte die verzweifelte Frau in einem fort. Sie machten auf der Insel Rügen Rast, um das Ruder zu reparieren. Um die Logie zu bezahlen, gab die Mutter der Jubilarin ihren Wintermantel ab und fuhr ohne diesen weiter bis nach Hamburg, wo sie heil ankamen.

Von dort führte das Abenteuer nach Blomberg, wo die Frau des Bruders von Eva Eleonore Kühlke mit ihrer Familie lebte und sie zum Glück aufgenommen wurden. Auch die Großmutter und die Tante sowie viele weitere Familienangehörigen aus Masuren trafen sich dort wieder. Sie waren zum Teil 17 Flüchtlinge in dem Haus dieser angeheirateten Familie. Die Jubilarin fand dort schnell eine Stelle als Volksschullehrerin. Manche Schüler, deren Eltern Bauern waren, versorgten sie mit Eiern, Käse, Schinken und mehr.

1946 fand Eva Eleonore Kühlke ihren Mann wieder, als dieser schwer verwundet aus der Kriegsgefangenschaft kam. Sie hatte ihn über das Deutsche Rote Kreuz suchen lassen. Auch er hatte sie gesucht. Sie hatten sich noch in Masuren kennengelernt, wo er als Soldat stationiert war und wo er sich in sie verliebte, als sie Akkordeon spielte und dazu sang. Sie heiraten 1948 und zogen nach Hamburg. Ihre beiden Brüder waren gerade erst nach vier Jahren Kriegsgefangenschaft in Russland zurückgekehrt. Ihre Mutter war an Tetanus verstorben, ohne ihre beiden Söhne je wiedergesehen zu haben.

In Hamburg kamen Sohn Bernd und Tochter Bettina zurWelt. 1966 zog die Familie nach Rüdesheim, weil dem Familienvater bei der Firma GEG eine Stelle als Leiter des Rechnungswesens angeboten wurde. Schließlich zog die Familie nach Oestrich-Winkel, wo Eva Eleonore Kühlke nach dem Tod ihres Mannes von 2014 bis 2015 lebte. Die Flucht aus Masuren, das geliebte Land und das Leben dort zu verlassen,
hat das ganze Leben von Eva Eleonore Kühlke bestimmt, es war, als sei sie aus dem Paradies vertrieben worden. Sie war auf einmal niemand mehr, nur noch ein Flüchtling aus dem Osten.

Heute verbringt die Jubilarin ihren Lebensabend im AGAPLESION THOMAS MORUS HAUS. Zum Geburtstag überbrachte Rüdesheims Stadtverordnetenvorsteher Tobias Zöller die Glückwünsche des Hessischen Minsterpräsidenten, des Landrats und des Bürgermeisters der Stadt. Allen Gratulanten schließt sich das Rheingau Echo mit guten Wünschen an.

Text +Bild: av

Stadtverordnetenvorsteher Tobias Zöller überbrachte Eva Eleonore Kühlke zahlreiche Glückwünsche, aus Paris reiste Tochter Bettina an, die Einrichtungsleiterin des AGAPLESION THOMAS MORUS HAUSES, Tatyana Kleinschidt (links), gratulierte im Namen des Hauses.