Neue Heimat Deutschland: Wie die gebürtige Kenianerin Elisabeth Linne in Hainburg Fuß gefasst hat

06. August 2024

Die gebürtige Kenianerin Elisabeth Linne und ihre Töchter haben in Hainburg eine neue Heimat gefunden. Für sie ist Sprache der Schlüssel.

Vor zehn Jahren ist Elisabeth Linne, damals noch Nyadenge, nach Deutschland gekommen. Heute arbeitet sie als examinierte Altenpflegerin im AGAPLESION SIMEONSTIFT und kümmert sich täglich um das Wohl von 33 älteren Menschen in ihrem Wohnbereich. Die Arbeit macht ihr sichtlich Spaß. In Kenia gab es für sie trotz eines guten High-School-Abschlusses beruflich keine Perspektive. Für eine Ausbildung oder ein Studium fehlte das Geld. So arbeitete sie als unqualifizierte Kraft, gründete eine Familie und brachte drei Töchter zur Welt. Das war ihr auf Dauer nicht genug, und die junge Frau aus Nairobi fasste den Entschluss, ihr Glück in Europa zu versuchen. Das hieß schweren Herzens Abschied von den Töchtern zu nehmen, die sie bei ihrer Mutter ließ.

Fernsehserien leisten gute Lehrdienste

Erste Anlaufstelle war die Lüneburger Heide, wo ihre Schwester beruflich und familiär bereits Fuß gefasst hatte. Aufgewachsen mit Englisch und Kisuaheli stand das Erlernen der deutschen Sprache ganz oben auf der To-do-Liste der damals 32-Jährigen. In der Familie ihrer Schwester wurde fast ausschließlich Deutsch gesprochen. Auch Fernsehserien leisteten gute Lehrdienste. „Ich habe zugehört und intensiv gelernt“, erinnert sie sich. „Die deutsche Sprache ist ziemlich schwierig. Es gibt aber, das kann ich immer nur wiederholen, keinen anderen Weg, um in Deutschland heimisch zu werden.“

Im Norden hat sie erst einmal ihr privates Glück gefunden. Mit Detlef Linne sowie der neu geborenen Tochter Nala zog sie 2015 nach Hainburg. Ihr Ziel, beruflich etwas aus ihrem Leben zu machen, verlor sie dabei nie aus den Augen. Sie jobbte als Reinigungskraft in einer lokalen Kita, suchte jedoch parallel mit Ehrgeiz und Beharrlichkeit nach einer zukunftsfähigen beruflichen Alternative.

Anerkennung des Schulabschlusses dauert Monate

Es brauchte Geduld für die Bürokratie, allein die Anerkennung ihres Schulabschlusses dauerte mehrere Monate. Sie informierte sich und fand unter anderem beim Inbas, Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt und Sozialpolitik Offenbach, heute Invola, qualifizierte Unterstützung. „Ich habe mich für die Altenpflege entschieden, denn mir gefällt die Arbeit mit Menschen“, erzählt sie. „Außerdem gibt es in diesem Bereich viele attraktive Entwicklungsmöglichkeiten.“

Gleich die erste Bewerbung beim AGAPLESION SIMEONSTIFT hatte Erfolg. 2019 begann sie mit der einjährigen Ausbildung zur Altenpflegehelferin, die Voraussetzungen dafür waren wahrlich nicht ideal: zwei Kinder, die älteste Tochter kam 2018 nach Hainburg, ein Mann, der sie unterstützte, aber überwiegend im Außendienst unterwegs war, dazu der anspruchsvolle Lehrstoff.

Mit Schweiß und manchmal Tränen zum Einser-Abschluss

Elisabeth Linne hat sich mit Fleiß durchgebissen, es hat Schweiß und manchmal Tränen gekostet, aber im Examenszeugnis standen ausschließlich Einser. So schloss sie gleich die weiterführende verkürzte Ausbildung zur Altenpflegerin an, die sie ebenfalls mit Bravour meisterte und das unter nochmals erschwerten Bedingungen. Es herrschte Corona, und seit 2020 lebten die beiden anderen Töchter ebenfalls in Hainburg. Das AGAPLESION SIMEONSTIFT erwies sich als familienfreundlich und zeigte viel Verständnis für die Auszubildende. „Sowohl meine Praxisanleiterin als auch meine Wohnbereichsleiterin haben meine Schichten so eingeteilt, dass ich nachmittags für meine Töchter da sein konnte,“ zeigt sie sich dankbar. „Das war für mich sehr wichtig.“

Die drei jungen Frauen sind mittlerweile gut in Deutschland angekommen und eifern der Mutter wie selbstverständlich nach. „Obwohl sie noch nicht so lange hier sind, sprechen sie besser Deutsch als ich,“ äußert sie sich stolz zum Nachwuchs. „Sie lernen konsequent, haben gute Noten und das ohne Druck.“ Mitchell, die Älteste, hat sich ebenfalls für den Pflegeberuf und die Ausbildung im AGAPLESION SIMEONSTIFT entschieden. Sie steckt aktuell in den Prüfungen zur Pflegefachkraft. Ihr Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft läuft. Marsha, die zweite Tochter, konnte gerade das drittbeste Abschlusszeugnis an der Kreuzburgschule entgegennehmen. Sie nutzt zwar die Sommerferien für ein Praktikum im SIMEONSTIFT, ihre Pläne gehen allerdings in eine ganz andere Richtung. Nach dem Abitur an der August Bebel-Schule in Offenbach will sie entweder Fluglotsin werden oder in die IT-Branche einsteigen. Die dritte Tochter Mikyla kommt in die zehnte Klasse, auch sie hat schon ein klares Berufsziel: Lehrerin.

Entscheidung nicht bereut

Elisabeth Linne, seit 2021 deutsche Staatsbürgerin, hat ihre Entscheidung, die Heimat zu verlassen, nicht bereut. „Deutschland bietet gute Strukturen und viele Chancen“, so ihr Fazit, „die ein berufliches Fortkommen ermöglichen“. Für sie geht ab Oktober das Lernen weiter. Sie beginnt die Weiterbildung zur Praxisanleiterin. Menschen wie Elisabeth Linne und ihre Familie zeigen beispielhaft, wie Integration gelingen kann und das zum Nutzen beider Seiten.

Text: Kordula Egenolf

Quellenangabe: Offenbach-Post vom 06.08.2024

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„Ich habe zugehört und intensiv gelernt“: Elisabeth Linne (Mitte) mit zwei ihrer vier Töchter, Marsha (links) und Nala. Foto: keg